Arbeitsmedizin

Arbeitsmedizin
Das Gebiet der Arbeitsmedizin umfasst die Wechselbeziehungen zwischen Arbeits- und Lebenswelten sowie Gesundheit und Krankheiten. Ziel ist es, die physische und psychische Gesundheit und Leistungsfähigkeit des arbeitenden Menschen zu erhalten und zu fördern. Arbeitsmedizin dient der Förderung, Erhaltung und Mitwirkung bei der Wiederherstellung von Gesundheit sowie der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit des Menschen.
Die Funktion des Betriebsarztes
Die betriebsärztliche Betreuung wird durch das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) und die DGUV Vorschrift 2 geregelt. In ihrem https://www.dgaum.de/fileadmin/pdf/Gesetze_und_Verordnungen/DGUV_Leitfaden_Betriebsaerzte.pdf
beschreibt die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) die wesentlichen Aufgaben von Betriebsärzten im Unternehmen. Der Leitfaden enthält die folgenden Inhalte.
Ärztliche Beratung und Betreuung
Die betriebsärztliche Betreuung wird durch das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) und die DGUV Vorschrift 2 geregelt.
Der Betriebsarzt ist nach dem ASiG in der Anwendung seiner Fachkunde weisungsfrei. Dies gewährleistet eine unabhängige Beratung sowohl des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers. Der Betriebsarzt ist dem Unternehmer unmittelbar zugeordnet, da die Beratung nach § 3 ASiG insbesondere die Unterstützung des Arbeitgebers und der für den Gesundheitsschutz verantwortlichen Personen umfasst.
- Planung, Ausführung und Unterhaltung von Betriebsanlagen, sozialen und sanitären Einrichtungen.
- Die Beschaffung von technischen Arbeitsmitteln und die Einführung von Arbeitsverfahren und Arbeitsstoffen sind wichtige Bestandteile der Beschaffung.
- Bei der Auswahl und Erprobung von Körperschutzmitteln
- Arbeitsphysiologische, arbeitspsychologische, ergonomische und arbeitshygienische Fragen, wie z. B. Arbeitsrhythmus, Arbeitszeit, Pausenregelung, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung.
- Die Organisation der „Ersten Hilfe“ im Betrieb, einschließlich des Umgangs mit psychisch traumatisierten Personen.
- Fragen zum Arbeitsplatzwechsel sowie zur Eingliederung und Wiedereingliederung von Beschäftigten mit gesundheitlichen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit einschließlich Leistungsgewandelter in den Arbeitsprozess.
- Zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen
Die DGUV Vorschrift 2 verpflichtet den Unternehmer, Maßnahmen umzusetzen, die sich aus der Erfüllung des ASiG ergeben. Die obligatorische Beratung durch Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit wird in der DGUV Vorschrift 2 differenziert dargestellt. Eine alternative bedarfsorientierte Betreuung kann in Abhängigkeit von der Betriebsgröße gewählt werden.
Gefährdungsbeurteilungen
Nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) müssen durch den Arbeitgeber die Gefährdungen am Arbeitsplatz ermittelt und beurteilt, die sich daraus ergebenden Arbeitsschutzmaßnahmen eigenverantwortlich festgelegt und deren Wirksamkeit überprüft werden. Er ist verpflichtet, für alle Arbeitsplätze eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, unabhängig von der Beschäftigtenzahl.
Die Gefährdungsbeurteilung ist die wesentliche Grundlage für ein systematisches und erfolgreiches Sicherheits- und Gesundheitsmanagement. Durch sie soll der Arbeitgeber in die Lage versetzt werden, die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit seiner Arbeitnehmer zu ergreifen.
Betriebsärzte wirken bei allen Phasen der Planung, Durchführung und im ständigen Verbesserungsprozess der Gefährdungsbeurteilung mit.
Begehung und Unterweisungen
Die Begehungen der Arbeitsstätten dienen dazu, die Arbeitsplätze kennenzulernen und die erforderlichen Inhalte der Grundbetreuung detailliert zu planen sowie Handlungsfelder für die betriebsspezifische Betreuung zu vereinbaren. Gute Betriebskenntnisse sind notwendig, um die Gefährdungsbeurteilung und die Ableitung effektiver Schutzmaßnahmen zu unterstützen. Außer regelmäßigen Begehungen werden auch anlassbezogene Begehungen durchgeführt.:
- Anfrage oder Anordnung der Aufsichtsbehörden
- Meldung über eine Schwangerschaft (Mutterschutzgesetz)
- Einstellung oder Umsetzung leistungsgewandelter Beschäftigter
- Planung neuer Arbeitsplätze, Arbeitsverfahren oder Arbeitsmittel (§ 3 ASiG)
- Verdacht auf arbeitsbedingte Erkrankungen (§ 3 ASiG)
- Analyse von Arbeitsunfällen und Wegeunfällen
- Wiedereingliederung nach Krankheit oder Unfall (§ 84 SGB IX)
- Beurteilung der Arbeitsplatzverhältnisse auf Veranlassung des Beschäftigten
- Veränderung von Arbeitsplätzen oder Standortwechsel des Unternehmens Weitere Unterweisungsthemen von Betriebsärzten:
- Organisation der Ersten Hilfe (ASIG § 3)
- Tätigkeiten an Bildschirmarbeitsplätzen
- Rückengerechtes Verhalten
- Psychische Belastungen und Beanspruchungsreaktionen
- Tätigkeiten mit Gefahrstoffen
- Biomonitoring
- Tätigkeiten mit Hautgefährdungen
- Auswirkungen von Suchtmittelkonsum
- Ergonomisch günstige Handhabung von Lasten
Arbeitsmedizinische Untersuchungen
Eignungsuntersuchungen:
- Die Eignungsuntersuchung ist keine arbeitsmedizinische Vorsorge. Sie wird vom Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin veranlasst und informiert sie darüber, ob ein Beschäftigter oder ein Bewerber für eine bestimmte Tätigkeit aus medizinischer Sicht geeignet ist. Näheres entnehmen Sie bitte aus der Borschüre DGUV Information 250-010 „Eignungsuntersuchungen in der betrieblichen Praxis“.
Einstellungsuntersuchungen:
- Wenn ein Arbeitgeber eine/n neue/n Arbeitnehmer/in einstellt, hat der das berechtige Interesse, nur Personen für diese Stelle zu beschäftigen, die gesundheitlich in der Lage sind, genau diese Position auch auszuführen. Daher gehen viele Arbeitgeber dazu über, vor der Einstellung eines/r Bewerbers/in eine entsprechende Einstellungsuntersuchung durchzuführen.
Arbeitsmedizinische Untersuchungen:
- Arbeitsmedizinische Untersuchungen nach anderen staatlichen Rechtsvorschriften, z. B. ArbMedVV, ArbZG (Arbeitszeitgesetz), StSchV (Strahlenschutzverordnung), FeV (Fahrerlaubnisverordnung).
Arbeitsmedizinische Vorsorge
Arbeitsmedizinische Vorsorge nach ArbmedVV dient der Beurteilung der individuellen Wechselwirkungen von Arbeit und physischer sowie psychischer Gesundheit, der Früherkennung arbeitsbedingter Gesundheitsstörungen und der Feststellung, ob bei Ausübung einer bestimmten Tätigkeit eine erhöhte gesundheitliche Gefährdung besteht.
Die Arbeitsmedizinverordnung (ArbmedVV) sieht verschiedene Vorsorgeformen vor:
Wunschvorsorge:
- Die Wunschvorsorge muss der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin seinen bzw. ihren Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen ermöglichen, wenn diese einen Gesundheitsschaden durch die Tätigkeiten vermuten.
Angebotsvorsorge:
- Vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer bei bestimmten, besonders gefährdenden Tätigkeiten anzubieten. Lehnen sie ab, hat das allerdings keinen Einfluss auf deren Beschäftigung. Der Arbeitgeber und die Arbeitgeberin muss allerdings weiterhin regelmäßig das Angebot an seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unterbreiten.
Pflichtvorsorge:
- Vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer bei bestimmten, besonders gefährdenden Tätigkeiten zur veranlassen. Nehmen die Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen die Vorsorge nicht war, dürfen sie nicht an Arbeitsplätzen mit diesen Gefährdungen beschäftigt werden.
Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)
Das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) gewinnt zunehmend an Bedeutung. Maßgeblich dafür sind sich ändernde betriebliche, demografische und andere Rahmenbedingungen. Das BGM vereint Verhältnis- und Verhaltensprävention. Es soll die betrieblichen Voraussetzungen und integrierten betrieblichen Strukturen und Prozesse schaffen für
- eine gesundheitsförderliche Gestaltung der Arbeit und der betrieblichen Organisation und
- die Befähigung zum gesundheitsförderlichen Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Zentrale Aufgabe ist die systematische Koordination und gezielte Weiterentwicklung betrieblicher Rahmenbedingungen sowie die Schaffung von Angeboten für Beschäftigte und Führungskräfte zur Förderung von Verantwortung, Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit. Das BGM ist in die Managementstruktur der Unternehmen integriert. Damit hat es einen hohen Stellenwert im Unternehmen, was nicht nur für die Attraktivität, sondern auch für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens und für die Gesundheit der Beschäftigten von Bedeutung ist.
Im Mittelpunkt steht neben der Förderung der Gesundheit durch das Unternehmen auch die Forderung nach Eigenverantwortung jedes/er Einzelnen. In diesem Betätigungsfeld mit zahlreichen Akteuren kommt den Betriebsärzten eine besondere Bedeutung zu, weil sie aufgrund ihrer Fachkenntnisse als sachkundige, professionelle Berater für Zusammenhangsfragen mit der Gesundheit prädestiniert sind.
Der Betriebsarzt kann als der betriebliche Experte für Gesundheit das BGM auf vielfältige Weise unterstützen. Konkrete Beispiele für diese Unterstützung sind:
- Beratung bei der Planung und Ausgestaltung der Strukturen und der Inhalte des Gesundheitsmanagements
- Initiierung und Begleitung von allgemeinen Maßnahmen zur Information und Motivation (z. B. Gesundheitstage), regelmäßigen betrieblichen Informationen zu Gesundheitsthemen (z. B. Infoblätter, Betriebszeitung) und spezifischen Maßnahmen an ausgewählten Arbeitsplätzen
- Teilnahme am Steuerkreis Gesundheit und Moderation von Gesundheitszirkeln
- Beurteilung und ggf. Zusammenarbeit mit externen Anbietern von Maßnahmen der Gesundheitsförderung (z. B. Entspannungsverfahren, Ernährungsberatung, Raucherentwöhnung)
- Motivation der Beschäftigten zur Teilnahme an Gesundheitsmaßnahmen
- Mitgestaltung regelmäßiger Berichte über Maßnahmen und Ergebnisse im BGM
- Motivation des Unternehmers ein Gesundheitsmanagementsystem zu etablieren
- Auswertung der Daten von Gesundheitsberichten der Krankenkassen, um Hinweise für geeignete Maßnahmen zu erhalten
- Unterstützung einer regelmäßigen Evaluation durchgeführter Maßnahmen
Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
Wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, hat der Arbeitgeber gemäß SGB IX, § 84 (2) zu prüfen, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden und mit welchen Leistungen und Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Der Betriebsarzt kann hinzugezogen werden, wenn dies erforderlich und der betroffene Beschäftigte einverstanden ist. Durch seine Tätigkeit an der Schnittstelle zwischen behandelnden Ärzten und den betrieblichen Bedingungen kann der Betriebsarzt im Betrieblichen Eingliederungsmanagement eine entscheidende Rolle spielen. Seine Kernaufgaben im BEM sind:
- Erstellung eines Fähigkeitsprofils und Beratung hinsichtlich zusätzlichen Trainings- und Therapiebedarfs
- Begleitung des Mitarbeiters bei der Wiedereingliederung und individuelle Anpassung von Belastung und Arbeitsinhalten
- Beratung und ggf. Untersuchung des Mitarbeiters vor der Eingliederungsmaßnahme
- Kooperation mit Haus- und Fachärzten, Rehabilitationsträgern, Integrationsämtern und -Fachdiensten
- Frühzeitiges Erkennen von Rehabilitationsbedarf
- Arbeitsplatzbegehung mit Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung und eines Anforderungsprofils
- Erstellung eines Wiedereingliederungsplans
- Unterstützung des Betriebs bei der Beschaffung von technischen Hilfsmitteln, der Organisation einer Arbeitsassistenz oder Umgestaltung des Arbeitsplatzes